Warum steigt die Nachfrage nach Innovation?

10.04.2019

Digitalisierung führt zu Verunsicherung auf verschiedenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ebenen. Langfristige Orientierungen sind in vielen Branchen nicht mehr vorhanden. Gegenwärtige Erfolge des Unternehmens können die Existenz auf Dauer nicht mehr sichern. Ein in diesem Zusammenhang oft zitiertes Beispiel ist das finnische Unternehmen Nokia. Seit der Gründung 1865, damals noch Gummistiefelhersteller, entwickelte sich das Unternehmen Anfang der 90er Jahre zum Weltmarktführer für Mobiltelefone. Den Wechsel beziehungsweise Sprung in die Smartphone-Branche schaffte Nokia jedoch nicht, wodurch andere Unternehmen wie Apple, Samsung usw. diese Branche fast vollständig einnahmen und Nokia verdrängten.

Innovation ist in der digitalisierten Gesellschaft stark nachgefragt und soll zur Bewältigung der Herausforderungen der modernen Wirtschaftswelt dienen. Eine Umfrage von metalogikon, Gesellschaft zur Entwicklung und Erforschung unternehmerischer und sozialer Innovation, verdeutlicht den Stellenwert von Innovation. Rund die Hälfte der Führungskräfte aus mittelständischen Unternehmen geben darin an, dass ihre Organisation in den kommenden Jahren einen besonderen Wert auf den Ausbau und die Umsetzung von Innovationen legen sollte, während aktuell die Absicherung bestehender Märkte zu den Fokusthemen gezählt werden[1].

Der Fachverband Change Management des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater e.V. stellt im Positionspapier „Organisationsentwicklung ist so wichtig wie nie“ dar, dass sich aufgrund der Digitalisierung, des demografischen Wandels und zahlreicher weiterer Megatrends Organisationen wandeln müssen, um überlebensfähig zu bleiben. Demnach sollen Innovationen generiert werden, um wirtschaftliche Stabilität und Rentabilität zu sichern sowie Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Daniela Freudenthaler-Mayrhofer, Professorin für Innovation an der Fachhochschule Oberösterreich, postuliert, dass nur „Unternehmen, die Innovation als Erfolgsfaktor verstehen, (...) die langfristige Erneuerungsfähigkeit des gesamten Unternehmens sichern"[2].

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Innovation muss die Forschungs- und Entwicklungsabteilungsilos verlassen und Raum in anderen Abteilungen finden und eine ganzheitliche, strategische Ausrichtung des Unternehmens werden. Diese ganzheitliche Ausrichtung des Unternehmens auf die Steigerung der Innovationsfähigkeit wird zu einer Überlebensstrategie in der VUCA-Welt. Einer Strategie, die sich nicht nur auf Produkte und Dienstleistungen fokussiert, sondern darüber hinaus mit neuen Formen der Zusammenarbeit und Kommunikation einhergeht. Demnach umfassen Innovationen mehr als die Entwicklung und Umsetzung neuer technischer Lösungen, Geschäftsmodelle oder Produkte. Durch Innovationen sollen sich Unternehmen von der Konkurrenz abheben und gleichzeitig den Kundenstamm behalten und erweitern.

Als weitere Gründe für den Gewinn der Bedeutung von Innovationen können verringerte Produktlebenszyklen, kürzere Halbwertszeiten von Alleinstellungsmerkmalen sowie Marktvorteile und die durch die Digitalisierung zunehmend symmetrisch werdende Informationsdynamiken zwischen Kunden und Verkäufern gesehen werden. Die neuen Technologien erlauben es Kunden, sich über Produkte und Dienstleistungen zu informieren, zu vergleichen und sich unter Umständen für einen alternativen Anbieter zu entscheiden, der entweder ein preisgünstigeres oder attraktiveres Angebot anbietet, das den Bedürfnissen des Kunden besser entspricht. Durch den zusätzlichen globalisierten Wettbewerbsdruck kommt es schneller zum Preisverfall, da Wettbewerber mit ähnlichen Produkten oder Dienstleistungen in vielen Branchen schnell nachziehen und so die Märkte sättigen.

Demnach wird Innovationsfähigkeit als die Fähigkeit definiert, Wissen und Ideen in neue Produkte und Prozesse zu transformieren und dadurch wirtschaftlichen Nutzen zu generieren. Hingegen sind zukunftsfähige Organisationen diejenigen, die durch Innovationen nicht nur das Produktportfolio erweitern, sondern auch neue Unternehmenswerte schaffen.

Wenn Innovationsfähigkeit als ein Erfolgsrezept für den Umgang mit den sich wandelnden gesellschaftlichen und geschäftlichen Strukturen beschrieben wird, warum haben viele Unternehmen Probleme damit, ganzheitliche Innovationsprozesse in ihren Unternehmens-strukturen aufzubauen? Innovationsprozesse scheitern an diversen Implementierungs-barrieren, dazu gehören unter anderem festgefahrene, organisationale Strukturen, eine hohe Unsicherheit, ein zu starkes und starres Vertrauen auf bestehende Prozesse und Verfahrensweisen, ein generelles Vermeidungsverhalten aufgrund von fehlenden Erfahrungswerten sowie ein hohes subjektives Risiko ausgehend von Changeprozessen.

Innovation bedeutet immer eine Abkehr von etablierten Strukturen und Mustern, ein Aufbruch von aufgebauten Regeln und Normen und das Einlassen auf unsichere Aufgaben, ohne prognostizierbaren Ausgang. Um wirksame und nachhaltige Erfolge zu erzielen, muss die Steigerung der Innovationsausrichtung zur strategischen Kernaufgabe jedes Unternehmens werden.

Die Nachfrage nach Möglichkeiten zur Steigerung der Innovationsfähigkeit steigt. Dabei gibt es viele unterschiedliche Methoden und Ansätze. Design Thinking zum Beispiel wird zunehmend beliebter, weil es nicht auf bestimmte Branchen begrenzt ist, sondern ein neues Mindset zur Lösung komplexer Probleme darstellt. Auch die Studie „HR-Report 2018: Schwerpunkt agile Organisationen auf dem Prüfstand" des Instituts für Beschäftigung und Employability, zeigt, dass Design Thinking, als Methode zur systematischen Entwicklung von Innovationen, die nachgefragteste und am häufigsten angewandte agile Methode ist. Dicht gefolgt von Innovationslaboren, Lean-Startup, Personal Kanban, Instant Open Space, Scrum, Delegation Poker und Lean Coffee. 

Die mentalen Modelle und Muster der Vergangenheit müssen überdacht und adjustiert und Organisations- und Führungskonzepte verändert werden, um innovationsfähig und damit auch wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Forscher des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam kommen zu dem Schluss, dass sich nur „(...) durch das ständige Beobachten des Kunden (...) gewinnbringende, neue Geschäftsfelder entwickeln und bestehende beleben“[3] lassen. Innovation kann als Erfolgsfaktor für Wettbewerbsfähigkeit gesehen werden, der seine wahre Wirkung entfalten kann, wenn der Innovationsgedanke einzelne Abteilungen verlässt und stattdessen die gesamte Organisation umschließt. In erfolgreichen und zukunftsfähigen Organisationen wird daher der Innovationsgedanke zur „DNA“ des Unternehmens.

Autor: Bartosz Czaja

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Abschlussarbeit an der Technischen Universität Dortmund. 

[1] Vgl. Attems, Rudy/Kronsteiner, Katharina/Lindenthal, Heinold (2011): Welche Rolle spielt Innovation in Unternehmen? Metalogikon – Gesellschaft zur Entwicklung und Erforschung unternehmerischer und sozialer Innovation. Wien

[2] Freudenthaler-Mayrhofer, Daniela/Sposato, Theresa (2017): Corporate Design Thinking: Wie Unternehmen ihre Innovationen erfolgreich gestalten. Wiesbaden: Springer Fachmedien., S. 50

[3] Plattner, Hasso/Meinel, Christoph/Weinberg, Ulrich (2009): Design Thinking. Innovation lernen – Ideenwelten öffnen. München: FinanzBuch Verlag, S. 143

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Adam S. schreibt:
10.04.2019, 11:03

sehr gut und präzise verfasst.

Dr. Klaus Menasche Wackernagel schreibt:
11.05.2019, 20:31

Eine interessante und gut zu den Kernaussagen führende Information, die einlädt, sich vertieft mit der wichtigen Thematik zu befassen. Gerade als Psychoanalytiker sehe ich darin eine wesentliche Aufgabe, wenn man unsere Expertise in größeren Zusammenhängen nutzen und fortentwickeln möchte.