Besoffen vor Glück

25.08.2017

Jörg Heynkes erzählt im Interview, warum Führungskräfte in Momenten des größten Erfolges wachsam bleiben müssen, vom Charme der Koexistenz und wie ihn die derzeitigen technologischen Entwicklungen faszinieren und er dadurch zum Vortragsredner wurde.

Herr Heynkes, Sie bezeichnen sich selbst als Aktivist, Innovator und Unternehmer und sind Inhaber mehrerer Firmen, z.B. der VillaMedia Gastronomie Gmbh, von energie-pur und der Entrance-Gesellschaft für Künstliche Intelligenz und Robotik mbH. Für wie viele Angestellte sind Sie als Führungskraft tätig?

Jörg Heynkes: Ich beschäftige in meinen Unternehmen etwas mehr als 50 Angestellte.

In Ihrer Vita auf joergheynkes.de schreiben Sie, dass Sie seit 2006 Ihr Engagement für ehrenamtliche Aktivitäten intensiviert haben, z.B. in der Initiative Aufbruch am Arrenberg, Bürgerenergie, als Vizepräsident der Bergischen IHK und anderes mehr. Wie bleibt da noch Zeit für die Führung von mehreren Unternehmen?

Jörg Heynkes: Das geht nur, wenn man es schafft, viele gute Leute zu finden und an sein Unternehmen zu binden. Leute, die an den verschiedenen Stellen besser sind, als man es selber wäre. Ich habe ein unglaublich gutes Team, das das operative Geschäft weitestgehend selbständig abwickelt, so dass ich mich auf kreative Aufgaben, Marketing und Controlling konzentrieren kann. Und mich darüber hinaus auch noch ehrenamtlich an den Stellen engagieren kann, die mir wichtig sind.

Was macht das Geheimnis Ihrer Führung aus bzw. was ist Ihr Erfolgsrezept für Führung?

Jörg Heynkes: Ich weiß gar nicht, ob es da ein Erfolgsrezept gibt. Ich nehme das so wahr und bekomme es auch so zurückgespiegelt, dass ich es erstens schaffe gute Leute zu identifizieren und zweitens diese dann so einzubinden, dass sie Lust haben zu bleiben und weiter einen guten Job zu machen. Und das heißt vor allen Dingen, den Leuten zu vertrauen und ihnen an vielen Stellen Freiräume zu lassen.

Um gute Leute zu bekommen ist es auch wichtig, sich einen guten Ruf als Arbeitgeber zu erarbeiten, indem man selbst einen guten Job macht. Das fängt bei ganz banalen Dingen an, wie dass man jeden Monat pünktlich das Gehalt überweist und die Leute fair bezahlt.

Heutzutage spielt auch das Klima im Team eine sehr große Rolle. Bei uns im Team sind der Zusammenhalt und das Engagement für die Sache herausragend. Das fördern wir zum Beispiel jedes Jahr mit einer mehrtägigen Teamchallenge, bei der das gesamte Team mitfährt. Und das ist nur ein Baustein von vielen Events, die wir regelmäßig mit unseren Mitarbeitern machen, um einfach auch Danke zu sagen und die Mitarbeiter zu belohnen für den guten Job den sie machen.  

Wie sieht für Sie die Führung der Zukunft aus und was müssen Führungskräfte Ihrer Meinung nach dafür tun, um zukunftsfähig zu bleiben?

Jörg Heynkes: Auf jeden Fall aufmerksam und achtsam sein, das ist das wichtigste, sowohl in Bezug auf das Team als auch auf das eigene Business. Wir wissen ja alle, das wir in bewegten Zeiten leben, in denen sich Geschäftsmodelle dramatisch schnell verändern und man in den allermeisten Branchen nur dann dauerhaft und nachhaltig Erfolg haben kann, wenn man sehr, sehr wach ist. Und das bedeutet, dass man die Bereitschaft besitzen muss, immer wieder alles in Frage zu stellen und zwar vor allem dann, wenn es am erfolgreichsten ist. Das ist, so glaube ich, auch eine meiner besonderen Stärken und der Grund, warum wir schon so lange erfolgreich sind.

Andersherum formuliert: Bei vielen Unternehmern die ich kenne und Unternehmungen, die gescheitert sind, war es deswegen, weil sie besoffen vor Glück waren und den Erfolg zu sehr genossen haben und sich davon blenden lassen haben, wie gut es gerade läuft. Sie haben nicht den Blick nach vorne gewagt mit der klaren Absicht, alles in Frage zu stellen und es erst wieder neu zu bestätigen, bevor sie sich entschlossen haben so weiter zu machen wie bisher.

So ein Vorgehen ist natürlich anstrengend für alle Beteiligten, wenn man sich im Moment des größten Erfolges an die Seite stellt und fragt, ok, das hat ja jetzt prima geklappt, aber sind wir mal ehrlich, was davon wird morgen auch wieder klappen? Auch bei uns im Team sind nicht immer alle begeistert, wenn ich zu Anfang eines neuen Jahres sage, jetzt lasst uns doch mal überlegen, was von dem, was wir bisher gemacht haben, sollten wir morgen lassen, weil es auf Dauer keinen Sinn mehr macht und von der Tendenz immer weniger wird, wir sollten uns an dieser Stelle lieber etwas Neues überlegen. Dieser Prozess kostet Kraft, aber er ist unbedingt notwendig.

Ein Steckenpferd Ihres Engagements sind neben Umwelt- und Klimaschutz das Thema Chancen und Risiken von bahnbrechenden zukünftigen Innovationen. Dazu sind Sie auch als Keynote Speaker, u.a. beim Expertenforum 2017, tätig. Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen und was begeistert Sie so daran?

Jörg Heynkes: Dazu gekommen bin ich eigentlich über meine tägliche Arbeit. Seit ich es vor zehn Jahren geschafft habe, mich in meinen Unternehmen soweit aus dem Alltaggeschäft herauszuziehen, habe ich nicht nur Zeit für ehrenamtliches Engagement, sondern auch Raum für Perspektive und um den Blick in die Zukunft richten zu können. Das war in den 20 Jahren Unternehmertum zuvor viel schwieriger, weil ich viel zu sehr ins Alltagsgeschäft eingebunden war.

Ich finde es für mich persönlich faszinierend, als Mensch, als Bürger, als Unternehmer und für meine Unternehmen, in welchem Tempo sich technologische und gesellschaftliche Entwicklungen vollziehen. Ich erlebe, auch weil ich ein sehr politischer Mensch bin, auf der einen Seite die Bedrohung für unser Klima, für unseren Planeten, für unsere Schöpfung durch all diese Veränderungsprozesse der letzten Jahrzehnte, wie die Verbrennung von fossilen Energien und anderes mehr und auf der anderen Seite aktuell auch die Chance, dieses durch die aktuell stattfindenden technologischen Entwicklungsprozesse in den Griff zu bekommen. Und ich finde es sehr spannend, das zu begleiten, vor allem praktisch zu begleiten. Also einfach zu machen und auszuprobieren, um so zu beweisen was geht und was nicht geht. Deswegen machen wir hier in der VillaMedia so viel mit Solarenergie, mit Speichern, mit Brennstoffzellen, mit Blockheizkraftwerken und so weiter, weil wir glauben, man muss nicht nur darüber reden, sondern selber herausfinden, welche Dinge gut sind und welche nicht. Darüber hinaus ist es natürlich wichtig, gesellschaftlich zu wirken und gesellschaftliche Veränderungsprozesse, die natürlich immer einhergehen mit psychologischen Veränderungsprozessen, voranzutreiben.

Vor fünf Jahren hat mich mal ein Kunde gebeten, weil wir im Gespräch so oft über diese Zukunfts- und Innovationsthemen sprachen, ob ich nicht mal einen Vortrag darüber machen könnte, weil ich das so spannend erzähle. Er wollte gerne ein Kundenevent machen und konnte sich vorstellen, dass ich da zu dem Thema was erzähle. Das war der erste Impuls diese Themen aufzuschreiben und daraus einen Vortrag zu machen. Mir hat das sehr viel Freude gemacht und der Vorteil, wenn man das dann mal aufschreibt und es vorträgt, ist, dass man noch mal sehr viel fundierter arbeiten muss, als wenn einfach mal nur mit einem Kumpel am Tresen darüber redet. Dadurch hab ich mich dann noch viel umfassender informiert, über die Betreibung von Forschungsprojekten usw. und entsprechende Informationen und Wissen angesammelt. Um dann dieses Wissen so zu erzählen, dass die Menschen es verstehen. Und als guter Geschichtenerzähler kann ich so in Bildern sprechen, dass die Menschen es schaffen, diese manchmal doch sehr komplexen Inhalte auf ihr eigenes Leben und ihre eigene Lebenswirklichkeit zu projizieren und dadurch verstehen, was da eigentlich auf sie zukommt und was da gerade passiert.

Große Firmen wie Google, Amazon und Co. stecken in die Zukunftsentwicklungen Milliarden. Hat man überhaupt Chancen bei diesen Entwicklungen mehr zu sein als nur ein Zaungast, wenn man nicht mindestens Millionen investiert? Und wo hat man ggf. realistisch eine Chance Mitspieler zu sein und was heißt das für die Unternehmen dieser Region?

Jörg Heynkes: Zunächst mal glaube ich, dass diese großen Fische, die da in diesem großen Becken schwimmen und natürlich eine unfassbare Macht haben, dass die natürlich unglaublich viel auf den Weg bringen, wovon wir jetzt schon massiv profitieren und auch in Zukunft noch viel mehr profitieren können. Ich würde dort zunächst erst mal die Chancen sehen, für mich, für meine Unternehmen, für euch und euer Unternehmen. All diese Entwicklungen, die von solchen Giganten wie Apple, Google, Facebook und anderen entwickelt werden, dienen uns ja an vielen Stellen. Dass das auch Nachteile und Gefährdungen mit sich bringt, liegt in der Natur der Sache. Das ist bei jedem Veränderungsprozess so. Aber ich sehe immer erst mal die Chancen. Von daher macht es auch für viele Sinn, dort genau hinzugucken und genau zu prüfen, welche von diesen Dingen kann ich morgen bei mir einsetzen, so dass ich besser und leistungsstärker werden kann.

Hinzu kommt bei solchen großen Fischen, dass sie irgendwann satt und träge werden, das hat man schon oft genug erlebt in der 150-jährigen technologischen Geschichte. Dann kommen wieder die kleinen Fische und haben große Chancen innovativer und schneller zu sein am Markt. Daher gibt es für mich nicht diese Zwangsläufigkeit, dass man gegen diese großen Unternehmen keine Chance mehr hätte, nur weil die so groß und gewaltig sind und man da nicht mehr mithalten kann. Wir erleben ja auch heute, dass kleine Unternehmen viel pfiffigere Lösungen haben, viele Startups, die innovative Produkte auf den Markt bringen. Die natürlich dann manchmal auch von den Großen geschluckt werden, auch das gehört mit zum Spiel, dass man einfach aufgekauft wird. Aber es gibt immer auch Chancen für kleine, bewegliche Einheiten, also auch natürlich hier bei uns in der bergischen Region.

Sie sehen mit Ihrer Firma Entrance auch eine entsprechende Chance. Aber gerade beim Thema KI denkt man auch direkt an die Rechenleistung, die dafür nötig ist und die gigantische Hardwareausstattung. Daher noch mal die Frage, schafft man es da wirklich Mitspieler zu sein?

Jörg Heynkes: Das ist ein gutes Beispiel und ja, man kann auf jeden Fall Mitspieler sein. Wir kooperieren ja mit den Großen. Wir bauen Kompetenz auf in der Entwicklung von Lösungen die mit Robotik und KI zu tun haben und IBM ist dabei unser Partner und wir greifen auch auf Systeme von Google zurück. Der Charme liegt dabei in der Koexistenz.

Haben Sie abschließend noch einen Tipp für Unternehmen, was sie angesichts dieser Entwicklungen und im Hinblick auf die Digitalisierung als erstes angehen sollten?

Jörg Heynkes: Das ist schwer zu sagen, weil die Unternehmen alle sehr unterschiedlich sind. Gerade bei der Digitalisierung ist ja jedes Unternehmen, jede Branche betroffen. Es gibt niemanden der an dem Prozess nicht beteiligt wäre oder nicht profitieren könnte oder schon längst profitiert. Das geht also vom Kioskbesitzer bis zum Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern oder noch größer. Ich glaube, da gibt es keine allgemeine Wahrheiten oder Botschaften. Außer der, fürchterlich wachsam zu sein. Also wie soeben schon erwähnt, genau hinzugucken, hinzufühlen und immer wieder zu überprüfen, was macht mein Wettbewerber, was setzt der schon für Technologien ein, die man vielleicht noch nicht wahrgenommen hat. Also ein ständiger Marktüberblick ist unglaublich wichtig. Immer wieder Benchmark machen und prüfen, wo stehe ich selber im Gegensatz zu meinen Wettbewerbern. Und das gilt für alle gleichermaßen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Dorothee Dickmann.

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