New Work - der Arbeit und dem Leben einen Sinn geben

08.11.2019

„Nicht wir sollten der Arbeit dienen, sondern die Arbeit sollte uns dienen. Die Arbeit (…) sollte uns mehr Kraft und Energie verleihen (…), uns bei unserer Entwicklung unterstützen, lebendigere, vollständigere Menschen zu werden.“ (Frithjof Bergmann)

Mit diesen Worten umschreibt Frithjof Bergmann, der geistige Vater des New Work Konzeptes, seine Wunschvorstellung von Arbeit.
Das durch die Digitalisierung ausgelöste, strukturelle Erdbeben soll als Auslöser genutzt werden, um unser Alltagsverständnis von Arbeit zu hinterfragen und zu transformieren.

Bettina Wagner, die stellvertretende Geschäftsführerin von PRAXISFELD, stellt sich im Interview mit Fabian Ceska den Fragen nach der Bedeutung, der Unvermeidlichkeit und der Zukunft von New Work.

Wie würdest du einem Menschen, der noch nie etwas davon gehört hat, den Begriff „New Work“ erklären, wenn du dafür nur 2 Minuten Zeit hättest?

Wow, super Frage! Ich habe tatsächlich erst vor kurzem meiner Mutter davon erzählt, die aufgrund Ihres Rentenalters gedanklich von diesen Themen relativ weit entfernt ist. Ich habe versucht es ihr damit zu erklären, dass New Work bedeutet, eine angemessene Arbeit zu finden, die notwendig ist, damit im Unternehmen erfolgreich im Sinne des Kundennutzens gearbeitet werden kann. Dadurch können Mitarbeiter*innen gefunden und gehalten werden, da diese sich wohlfühlen und sie einen Sinn sehen in dem was sie tun. Das war jetzt sehr knapp und in weniger als zwei Minuten. (lacht)

Braucht es heutzutage New Work und wenn ja warum?

Ich glaube, dass es New Work schon länger gibt. Vielleicht nicht mit diesem Wort, sondern man hat es eher unbewusst gemacht. Wenn ich an PRAXISFELD denke, kann ich sagen, dass wir uns schon immer an den Markt, an die Kundenbedarfe und auch an die Bedarfe der Mitarbeitenden angepasst haben.

Ich glaube, dass es in Zukunft andere Arbeitsformen braucht, weil es unterschiedliche Bedarfe der Generation Y oder X hinsichtlich ihrer Vorstellung von Arbeit gibt. Ich hatte gerade ein Auswahlgespräch mit einer eventuell zukünftigen Praktikantin. Im Vorfeld zu unserem Gespräch hatten ihr Freundinnen gesagt: „Wie? Du willst in eine Unternehmensberatung? Da musst du ja so viel arbeiten!“. Ein hohes Arbeitspensum passt nicht in das Bild hinein, da müssen andere Bedürfnisse erfüllt werden. Erstens etwas Sinnvolles zu tun und zweitens eine Balance zu finden zwischen Arbeits- und Privatleben.

Auf welche weiteren Fragen der Moderne liefert New Work passende Antworten?

Unternehmen müssen einfach agiler sein. So wie sich die ganze Industrie verändert - mittlerweile befinden wir uns bei der Industrie 4.0 - braucht es in Zukunft auch andere Arbeitsformen. Komplexität verlangt Agilität!

Führung verändert sich ebenfalls, weil die Teams nicht mehr alle zur gleichen Zeit am gleichen Ort sind. Teammitglieder sitzen an unterschiedlichen Plätzen und sind in der Welt verteilt. Der eine sitzt im Homeoffice, der andere im Café, die dritte arbeitet im Co- Working-Space.

Könntest du ein spezifisches Tool von New Work beschreiben und erläutern?

Tools, die wir zum Beispiel bei PRAXISFELD verwenden, sind das Kanban Board oder Meistertask, bei welchen interne Projekte abgebildet sind und alle Mitarbeitenden Zugriff darauf haben. Jeder kann jederzeit sehen, wie der Projektstand ist und es gibt tägliche oder wöchentliche Updates. Der große Unterschied zu früher ist, dass sehr offen dargelegt wird, wie der Stand eines Projektes ist und wer für welche Aufgaben verantwortlich ist. Das bedeutet, dass du dich nicht verstecken kannst. Der Status wird offen dargelegt.

Gab es bereits eine Situation in der du ein Tool oder ein Modell von New Work praktisch angewendet hast und könntest du diese hier schildern?

Ich würde New Work vor allem als Haltung bezeichnen. Ein großer Teil davon ist natürlich meine Haltung den Mitarbeitenden von PRAXISFELD gegenüber. Genau hinzusehen, hinzuhören und zu überlegen, was brauchen wir als Unternehmen, was erwarten wir von jedem Einzelnen? Und dennoch hinzuhören, welche Bedürfnisse Mitarbeitende aufgrund von familiären Situationen haben. Dies äußert sich durch regelmäßige Feedbackgespräche mit den Mitarbeitenden im Vierteljahresabstand.

Welche spezifischen Fragen ich stelle oder welche konkreten Vorschläge ich mache, überlasse ich an dieser Stelle auch manchmal meinem Gefühl. Hier geht es vor allem darum, gemeinsame Entscheidungen zu vereinbaren, da wir gerne mit den aktuellen Mitarbeitenden aus dem Unternehmen auch noch in Zukunft zusammen arbeiten wollen. Dafür gilt es agil zu bleiben und zu überlegen wie man dies alles unter einen Hut bringen kann.

Eine konkrete Situation in der New Work gelebt wurde, war unser Neubau-Projekt. Dafür haben wir mithilfe eines Design Thinking Prozesses Kunden und Mitarbeitende aktiv in die Gestaltung unserer neuen Büroräumlichkeiten miteinbezogen. Alle Wünsche, Vorstellungen, Informationen bekamen genügend Raum, um sich gegenseitig zu befruchten und zu einem ganzheitlichen Bild zu werden.

Abschließend: Wie alles andere hat New Work ebenfalls zwei Seiten. Es hat ganz tolle, agile und moderne Dimensionen, aber es  kann auch eine Überforderung bedeuten.

Führungskräfte müssen lernen anders zu führen. Auch solche, die die letzten 20 Jahre gewohnt waren, den Mitarbeitenden zu sagen was diese tun sollen. Dieses Umdenken ist sowohl für die Führungskraft eine Herausforderung,  anderseits auch für Mitarbeitende. Diese können überfordert sein, wenn sie auf einmal die Wahlmöglichkeiten haben oder selbst entscheiden müssen.

Zusätzlich dazu ist es mir auch wichtig mitzudenken, was es bedeutet wenn man zum Beispiel mit Kanban oder Meistertask arbeitet und die Aufgabenverteilungen für alle ersichtlich sind. Dies stellt große Fragen bezüglich kollektivem Leistungsdruck oder auch zu Datenschutz.

Aber positiv betrachtet hat New Work im Sinne von Frithjof Bergmann die Dimension: Die Leute haben den Sinn in ihrer Arbeit gefunden und haben eine gute Balance zwischen Arbeits- und Privatleben. Sie machen auch etwas für die Gemeinschaft und sind sehr nachhaltig unterwegs. Die Führungskräfte haben Vertrauen in die Mitarbeitenden, Arbeitsräume haben sich verändert und jeder einzelne empfindet sich als wirksam im Unternehmen. Es geht um Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung und Selbstversorgung. Das gibt der Arbeit und dem Leben einen Sinn.

Vielen Dank für das Gespräch.

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