Folge #17 Musterwechsel

27.05.2022

Der Begriff Muster wird für Tapeten und Kleidung benutzt, wenn es um eine regelmäßige, sich wiederholende Gestaltung geht. Oder in anderen Zusammenhängen auch als Synonym für eine Vorlage, aufgrund derer man etwas replizieren kann. 
In Organisationen geht es auch oft um schöne Verzierungen. Aber, da Organisationen aus Kommunikation bestehen, meinen wir hier Erwartungs- und Entscheidungsmuster. Um viele Menschen koordiniert zusammenarbeiten zu lassen, braucht es möglichst viel routinierte Wiederholung. Gebraucht wird erwartbares Verhalten, so dass ich auch bei relativ fremden Menschen anhand der Rolle eine hohe Sicherheit darüber habe, was ich von ihnen erwarten kann.

Die Erwartungen der Organisation formen sich aufgrund längerer Erfahrung, sowohl nach innen (wie ticken wir hier so) als auch nach außen (wie ticken z.B. unsere Kunden). Dadurch wird das Entscheiden etwas leichter, weil man in ähnlichen Situationen auch ähnlich entscheiden kann. Die wiederholte Verwendung dieser Vorlagen schleift sich aber oft so stark ein, dass bei schnellem Wandel im Markt bzw. bei Technologien die Muster bleiben. 

Der Haken ist, dass diese Muster die Erfolgsgaranten der Vergangenheit waren und ein einzelner aus diesen wechselseitigen Erwartungen nicht einfach ausscheren kann. Selbst beim Chef gelingt das oft nur in kleinen Schritten. 
Dazu kommt, dass die alten Muster in der Regel nicht völlig überholt sind. Ein Kunde von uns mit einer großen Labororganisation beobachtet einen rasanten Wandel der Wissenschaft. Standardmethoden werden keinen große Wertschöpfung mehr generieren, während sich mit innovativen, aber auch riskanten Innovationen evtl. viel Geld verdienen lässt. Dafür muss die Organisation aber viel schneller werden. Der Musterwechsel besteht jetzt darin, wesentlich mehr Zeit auf wissenschaftliches Lernen zu verwenden und abzuwägen, ob man nicht mit 80 % Ergebnis weiterarbeiten will, da Schnelligkeit viel radikaler als früher über Gewinn und Verlust entscheidet. Das gerät in Widerstreit mit den alten Mustern von bewährter, effizienter Genauigkeit und Ausrichtung auf 100 % Ergebnisse. 

Hier wird schon deutlich, dass alte Muster nur dann leicht abzulegen sind, wenn alle die Situation gleich beurteilen und auch die nötigen Kompetenzen für den Wandel aufbauen können und wollen. Da das sehr unwahrscheinlich ist, kommt hier eine systematische (und auch systemische, ja) Organisationsentwicklung ins Spiel, die aktiv mit Paradoxien arbeiten kann. Eine spannende Paradoxie in dem genannten Beispiel ist: Effiziente Routinen und 100 % Genauigkeit sind wichtige Faktoren und das mutige Verlassen von Routinen sowie das “Verschwenden” von Zeit für neues Lernen sind wichtige Faktoren, aber beides gleichzeitig ist für einen einzelne Person nicht machbar.

Musterwechsel erfordern Neuorientierung und Sensemaking auf das, was jetzt mehr gelten soll als das Alte, was immer noch ein bisschen gilt. Weitere Erfolgsfaktoren sind neben der Gestaltung der Kommunikation am Anfang dann aber vor allem Beharrlichkeit. Denn die beiden Möglichkeiten, die es gibt – unterbrechen dysfunktionaler Muster oder die Etablierung neuer Muster arbeitet immer gegen Vergesslichkeit, Unsicherheit und positiv ausgedrückt, die effiziente Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden, die nicht immer zeitraubend etwas Neues ausprobieren wollen. 

Was man hier bedenken kann, wird in diesem Podcast besprochen.

Dauer: 1:13 Std.

 

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