Folge #19 Co-Creation - Gemeinsam mehr erreichen?

18.10.2022

Die Begriffe Schöpfung und Wert-Schöpfung liegen ja recht eng zusammen. Googelt man nach dem Begriff, dann findet man bei Wikipedia den Verweis auf eine „… Methode, den Prozess oder das Ergebnis eines gemeinschaftlichen Schöpfungsprozesses mehrerer Personen oder Statusgruppen.“

Populär wurde der Begriff wohl ursprünglich durch den Artikel zweier amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler, C.K. Prahalad und V. Ramaswany. Der Titel lautete „Co-Creation Experiences: The Next Practice in Value Creation.“ Hier wird die inzwischen auch durch Design Thinking populär gewordene Idee propagiert, Kunden in die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen einzubeziehen.

Mittlerweile wird der Begriff auch in der Organisationsentwicklung verwendet.  Hier geht es darum, gemeinsam mit verschiedenen Anspruchsgruppen einer Organisation jenseits des engsten Entscheiderkreises gemeinsam tragfähige Lösungen für bestimmte Probleme zu entwickeln.

So hat PRAXISFELD z.B. in einer Organisationseinheit mit vielen hundert Mitarbeitenden eine Neustrukturierung begleitet, die auf der aktiven Mitwirkung einer dreistelligen Zahl von Ideengebern basiert.

Die auf der Hand liegende Frage ist natürlich, ob Co-Creation (oder Ko-Kreation) nicht ein anders Wort für „Mitarbeiter mitnehmen“ ist? Die Verfechter des Kreations-Begriffs halten dem entgegen, dass man bei „mitnehmen“ ja schon weiß, wo es hingehen soll, bei einer gemeinsamen Schöpfung hingegen wirklich Neues entstehen kann.

Systemischen Organisationsentwicklern ist, so oder so, die Vorgehensweise und auch die Intention vertraut.

Der Auslöser für einen Co-Creation Prozess ist häufig:

  • Der Wunsch, das Wissen der Organisation zu nutzen – der Teufel steckt schließlich im Detail
  • Die Motivation der Beteiligten zu erhöhen – „Invented here“
  • Die verschiedenen Perspektiven und Interessenlagen in einen Dialog zu bringen
  • Bewusstsein und Beschäftigung mit der Problemlage und Veränderungsnotwendigkeit zu schaffen, um die Grundlage für Verhaltensänderungen zu schaffen.

Die potenziellen Risiken und Nachteile sollte man dabei vielleicht nicht ignorieren:

  • Wenn man viele Personen beteiligt, bekommt man auch viele Antworten, die man alle auswerten muss
  • Das Enttäuschungspotential steigt mit dem Herzblut, was die Ko-Kreateure in die (oft sehr unterschiedlichen) Vorschläge hineingesteckt haben
  • Co-Createure, die sich sehr unsicher sind, ob sie ihren Arbeitsplatz behalten können, sind nur in Ausnahmefällen geeignet, produktiv mitzugestalten.
  • Der Zeitbedarf steigt und damit auch die Ungeduld, wann es denn endlich zu einer Entscheidung kommt
  • Auch der Ressourceneinsatz ist nicht unerheblich
  • Wenn sich eine Tendenz entwickelt, die man als Geschäftsleitung gar nicht haben wollte, bedeutet das Ziehen der Notbremse gegebenenfalls einen hohen Glaubwürdigkeitsverlust, wenn man die regeln nicht vorher sehr klar gemacht hat.

Idealerweise sieht deshalb ein Co-Creation Prozess folgende Aspekte vor:

  • Ausreichend Zeit, Raum und Ressourcen, um nicht mittendrin stecken zu bleiben.
  • Eine Fragestellung, die noch wirklich offen ist und nicht nur zum Schein bearbeitet werden soll
  • Einen Auftraggeber mit Macht und Mitteln, der bereit ist, Energie in den Prozess zu geben
  • Eine Analysephase, die verschiedene Sichtweisen zulässt (Komplexität erhöhen)
  • Eine Diagnosephase, die sich auf die wichtigsten Herausforderungen fokussiert (Komplexität wieder reduzieren)
  • Der Einbezug der Metaebene: Reflexion, welche kollektiven mentalen Modelle und organisationalen Muster die Organisation bisher bestimmen
  • Der Entwurf von Szenarien einer wünschenswerten Lösung, die dann einem Realitätscheck unterzogen wird: Welchen Preis sind wir für die neue Lösung bereit zu bezahlen? Welche Lösungsprobleme schaffen wir gerade neu?
  • Prototypisches Ausprobieren des Neuen mit der Bereitschaft, Entscheidungen auch zu revidieren
  • Ein allgemeines Paradoxieverständnis, dass weg führt vom Glauben an die einzig richtige Lösung hin zu der Einsicht, dass Entscheidungen immer unsichtbar alle damit nicht gewählten Lösungen beinhalten und es vor allem um „Viabilität“, um Tauglichkeit in der aktuellen Situation geht und alles auch anders möglich wäre.

 

Damit setzt Co-Creation bei aller Ernsthaftigkeit auf eine gewisse Leichtigkeit und Experimentierbereitschaft und taucht nicht zufällig auch im Zusammenhang mit Begriffen wie postheroische Führung auf (was Stoff für einen eigenen Beitrag ist).

Die Frage, ob man mit Co-Creation gemeinsam mehr erreichen kann, lässt sich nicht pauschal beantworten. Das Entscheiden durch einen „Entscheider“ hat sich in punkto Geschwindigkeit, Entlastung und „gewünschter Willkür“ durchaus auch bewährt. Den aktuellen Trend, dass generell für unpassend zu halten, schätzen wir als übertrieben ein. Ob der Aufwand eines Co-Creation Prozesses lohnend ist, muss man daher fallweise entscheiden. Richtig aufgesetzt, haben wir mit Co-Creation Prozessen allerdings überwiegend sehr gute Erfahrungen gesammelt.

Wer mehr erfahren will, kann dazu unseren Podcast hören oder an unserer Ausbildung systemische Organisationsberatung teilnehmen, wo man genau das ausführlich lernt.

Als Buch empfehlen wir: „Change durch Co-Creation“ von Bormann et. al.

Dauer: 1:09 Std.

 

 

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